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Adrett, aber fies: Bridget Fonda erweist sich in dem Thriller »Ein einfacher Plan« erneut als
Spezialistin für abgründige Frauenrollen
Zu anderen Zeiten hätte so eine Nase für den Scheiterhaufen gereicht nicht gerade unheimlich lang,
aber dermaßen spitz, daß sie sich sofort in alle Blicke und Phantasien bohrt: Wächst sie womöglich
gerade ein bißchen - zum Beispiel, wenn uns ihre Besitzerin weismachen will, sie sei vorgestern
schon 35 geworden?
Nein, Bridget Fonda sollte man zunächst einmal gar nichts glauben. Denn auch wenn
sie immer ein bißchen schüchtern tut und selbst das leiseste Kompliment mit einem verlegenen »Oh,
danke schön!« quittiert, so hat ihre Gegenwart doch etwas latent Beunruhigendes. Obwohl unverkennbar
ein Sproß der großen Hollywood-Dynastie, so offenbart sich das Fonda- Typische an ihr doch in einer
eher sonderbaren Mischung: Von Großvater Henry hat sie den abgründigen Blick aus »Spiel mir das Lied
vom Tod« geerbt, von Tante Jane den bedrohlichen Sex aus »Barbarella« - und von Vater Peter jene
geheimnisvolle Melancholie, die es ihm lange so schwermachte in Hollywood.
Der Weg aufs »Vogue«-Cover ist Bridget so natürlich bislang versperrt auch »die Parts als
Sympathieträgerin im großen Film für die ganze Familie sind begrenzt«. Dafür beeindruckte sie
Regisseure wie Coppola (»Der Pate III«), John Badham (»Codename: Nina«) und Quentin Tarantino
(»Jackie Brown«), die sie brüchige Charaktere spielen ließen, Rollen, »in denen ich mich am
wenigsten manipulieren muß«.als »all American girl«, hinter deren adretter Fassade mancherlei
Abgründe klaffen. In ihrem neuesten Film, dem Thriller »Ein einfacher Plan« von Grusel-Spezialist
Sam Raimi,stürzt sie das friedlichste Dorf Wisconsins in Tod und Verderben.
Dabei geht es eigentlich nur um drei Männer im Schnee, die ein havariertes Flugzeug samt Leiche und
4,4 Millionen Dollar entdecken. Sie nehmen das Geld zwar an sich, ausgegeben werden soll es jedoch
erst, wenn bei Schneeschmelze das Wrack gefunden und ganz sicher nichts darin vermißt wird. Eine
simpler Plan, eine einfache Geschichte - die jedoch vor der »Fargo« -erprobten Tiefkühl-Kulisse im
Nordosten der USA zu einem Horrortrip in die Eiswüste der menschlichen Seele ausartet. An Fondas
Seite stehen Bill Paxton als ihr angetrauter Muster-Dörfler,der anfangs lieber das Auto gegen einen
Baum lenkt als einen Fuchs anzufahren - und schlicßlich aus nächster Nähe Menschen abknallt. Und der
wunderbare, für den Oscar nominierte Billy Bob Thornton als Trottel, der sich aber als der einzig
Weise herausstellt.
Ein wenig erinnert das Ganze an eine Mischung aus Macbeth und dem Märchen vom Fischer und seiner
Frau - mit Fonda als Mutter allen Schlachtens, die selbst dann noch nicht genug hat, als sie den
Gatten bis hin zum Brudermord getrieben hat. »Du kannst dich sicher fühlen«, beruhigt sie ihn,
»kein Mensch würde dir all dies je zutrauen.«
Bridget Fonda muß nicht betonen, daß sie Charaktere schätzt, »die eine dunkle Seite in sich
verbergen«. Und daß ihre Tränen am Filmende selbstredend echt sind - als Paxton das Geld ins Feuer
wirft. Zu anderen Zeiten wäre die Frau gleich hinterhergeflogen.
CHRISTIAN SEIDL
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